Über die Grenzen hinaus

Als internationale Organisation arbeitet die Fédération Cynologique Internationale nicht nur für einen gemeinsamen Zweck, sondern bietet Menschen unabhängig von ihrer Kultur, Herkunft, politischen Gesinnung oder Religion auch die Möglichkeit, sich zu treffen und Ideen und Erfahrungen auszutauschen. Unter dem Dachverband der Fédération Cynologique Internationale setzen wir uns gemeinsam dafür ein, allen Hunden weltweit Schutz zu gewähren.

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Rafael de Santiago
Präsident der FCI
Kümmern Sie sich ausreichend um das Wohlbefinden und die Gesundheit Ihres Hundes?
Ermanno Maniero

Die ersten fleischfressenden Säugetiere tauchten unserem Kenntnisstand zufolge im Zeitalter des Paleozän in der Tertiärzeit des Känozoikums vor ca. 65 Millionen Jahren auf. Es gibt auch Wissenschaftler, die diesen Zeitpunkt weit früher ansetzen, und zwar in die Kreidezeit des Mesozoikums vor 146 bis 65 Millionen Jahren. Dies sind sensationelle Erkenntnisse, und doch weist unser Wissen Lücken auf, so manches ist immer noch im Dunkel der Geschichte verborgen und einige Fragen werden wohl für immer unbeantwortet bleiben.

Die Familie der Canidae ist die am weitesten entwickelte Gruppe der Fleischfresser. Die Evolutionsgeschichte der Canidae ist durch aufeinanderfolgende Radiationen gekennzeichnet, einer schnellen Auffächerung einer wenig spezialisierten Art in viele stärker spezialisierte Arten, bedingt durch Umweltveränderungen oder neue Ressourcen.

Obwohl es ca. 4.800 Säugetierarten gibt, sind es nur zwei Arten, die in der Geschichte der Menschheit Einzug in die menschliche Behausung halten durften: der Hund und die Katze. Voraus ging eine Domestizierungsphase in den frühen menschlichen Gesellschaften, in der eine Beziehung aufgebaut wurde, die für beide Seiten Vorteile brachte. Die wissenschaftliche Datierung dieser Domestizierungsphase variiert, wobei eine Meldung vom 6. März 2013 in der Zeitschrift Palaeontology & Archaeology über den Fund eines 33.000 Jahre alten Fossils im Altai-Gebirge in Südsibirien berichtet. Nach der DNA-Sequenz soll es sich hier um den ältesten domestizierten Hund handeln. Wie sieht es 33.000 Jahre später mit dem Wohlbefinden unserer Hunde aus?

Wir könnten jetzt unzählige schöne Geschichte erzählen – obwohl es auch viele grausame gegeben hat – aber an dieser Stelle möchten wir vor allem ein besonders bemerkenswertes Schriftstück anführen. Veröffentlicht wurde es in REDVET, der Revista Electrónica de Veterinaria 1695-7504 2007 Band VIII Nummer 12B und erinnert daran, dass in Spanien im Jahre 1883 eine königliche Verordnung erlassen wurde, die besagt, „dass die Lehrer und Lehrerinnen in öffentlichen Schulen den Kindern ein Gefühl des Wohlwollens gegenüber Tieren und den Wunsch, sie angemessen zu schützen, vermitteln müssen.“ Wird diese Anordnung in allen Ländern umgesetzt?

1964 veröffentlichte Ruth Harrison in England ein Buch mit dem Titel „Tiermaschinen“, in dem sie die Massentierhaltung in landwirtschaftlichen Betrieben kritisiert, die ein natürliches Verhalten der Tiere verhindert und sie leiden lässt. Dieser Appell an das menschliche Gewissen veranlasste die britische Regierung 1965 den Brambell-Ausschuss unter der Leitung von Professor Rogers Brambell einzusetzen. Dieser von einer Expertengruppe unterstützte Ausschuss wandte den wissenschaftlichen Begriff des „Wohlbefindens“ auf die Gefühle und das Verhalten von Tieren an. Die Definition des Wohlbefindens von Tieren wurde ab 1992 anerkannt, und es wurden die „fünf Grundfreiheiten der Tiere“ festgelegt:

  1. Freisein von Hunger, Durst
  2. Freisein von Unbehagen
  3. Freisein von Angst und Leiden
  4. Freisein von Schmerzen, Verletzungen und Krankheiten
  5. Freisein zum Ausleben normaler Verhaltensweisen

In den vergangenen Jahrzehnten hat die Sorge um das Wohlergehen von Tieren im Allgemeinen merklich zugenommen, vor allem in den letzten 10 Jahren, seitdem diese Grundfreiheiten auch für Hunde und Katzen gelten.

Wir müssen diese fünf Grundfreiheiten zunächst einmal verstehen, bevor wir sie anwenden können – zusammen mit vielen anderen Prinzipien, die noch fehlen, wie dem sozialen Kontakt sowohl zu Menschen als auch zu anderen Hunden, Zwinger, die den Hunden ausreichenden Platz bieten anstelle von winzigen Ausläufen etc.

Die FCI fördert weltweit alle Aktivitäten mit dem Hund und sportliche Disziplinen, die für den Hund förderlich sind. Daher gehören Fragen nach Gesundheit, Charakter und Verhalten zu den wichtigsten Themen für die Hunde selbst und für ihre Rassestandards. In den aktuellen Standards heißt es darum auch:

FEHLER: Jede Abweichung von den vorgenannten Punkten muss als Fehler angesehen werden, dessen Bewertung in genauem Verhältnis zum Grad der Abweichung stehen sollte und dessen Einfluss auf die Gesundheit und das Wohlbefinden des Hundes zu beachten ist. Hunde, die deutlich physische Abnormalitäten oder Verhaltensstörungen aufweisen, müssen disqualifiziert werden
An anderer Stelle heißt es: Zur Zucht sollen ausschließlich funktional und klinisch gesunde, rassetypische Hunde verwendet werden.

Dies ist jedoch noch nicht ausreichend: Wir brauchen die Unterstützung und den Einsatz aller guten Züchter, Aussteller, Hundeführer, wissenschaftlicher Einrichtungen und Vereine, um die Leute zu schulen, Richtlinien festzulegen und deren Einhaltung sicherzustellen. Darüber hinaus müssen die nationalen Hundeverbände die Zuchtzwinger regelmäßig überprüfen, die Zwinger empfehlen, die sich für das Wohlbefinden der Hunde einsetzen und sich von den Züchtern abgrenzen, die dagegen verstoßen.

Ermanno Maniero
Ehrenmitglied des FCI-Vorstands